Gürkchen für Jürgchen

Jürgen war ein wenig angefressen. Seiner Wahrnehmung nach hatte seine Frau Irma in der vergangenen Nacht ein bisschen zu oft und zu lange mit anderen Männern Tango getanzt. Entsprechend wortkarg zeigte er sich am nächsten Morgen und ging früher als sonst hinunter zum Strand. 

Irma wollte dieses Stimmungstief nicht länger hinnehmen. Sie fuhr ins Dorf und kaufte delikate Leckereien für ihren arg diätgeplagten Jürgen. Heute hatte Diät Pause.

Strandgeschichten

Zurück in der Ferienwohnung packte sie all die Köstlichkeiten in eine große Plastikbox. Auch an die Flasche mit dem gekühlten Weißwein hatte sie gedacht – gut isoliert in Zeitungspapier gewickelt, wie sie es immer machte, wenn etwas kalt bleiben musste.

Schon von Weitem sah sie ihren großgewachsenen Mann auf dem Liegestuhl liegen, reglos aufs Meer blickend.
„Na, wie geht es meinem Grummelbär?“, fragte sie heiter und rückte den zweiten Liegestuhl ganz dicht an seinen.
„Mmmh, geht so“, brummte er gespielt desinteressiert, den Blick weiterhin starr auf den Horizont gerichtet. 

Sie ruckelte sich noch näher an ihn heran, schob ihren linken Arm unter seinen Kopf und durchpflügte mit den Fingern ihrer rechten Hand das dunkle Areal seiner Brustbehaarung, während sie zarte Küsse auf seiner Wange verteilte. 
„Du hast es nicht nötig, eifersüchtig zu sein, mein Großer“, flüsterte sie ihm nach einer Weile ins Ohr. „Du bist doch mein Mann. Und meine einzige Liebe auf dieser Welt – abgesehen von den Manolos, versteht sich“, witzelte sie. 
Er lächelte verlegen, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
„In letzter Zeit denke ich oft, ich genüge dir nicht mehr. Der Tango hat schon so manches Paar auseinandergebracht. Ein Leben ohne dich kann ich mir einfach nicht vorstellen. Will ich mir nicht vorstellen.“
„Dummerchen“, sagte sie sanft. „Warum sollte ich einen Mann verlassen, der mir das Wichtigste im Leben ist und der mich so sehr liebt? Ich glaube, deine blöde Diät bringt dich auf solche Gedanken – und macht dich so dünnhäutig.“ 

Sie griff hinter sich und stellte die Plastikbox direkt auf seinen Bauch.
„Schau mal, was ich dir mitgebracht habe.“ 
Er öffnete den Deckel – und sein Blick hellte sich merklich auf.
„Heute machen wir keine Diät, mein Schatz. Heute frönen wir der Völlerei. Mund auf“, sagte sie fordernd und begann, ihn mit Parmaschinken, verschiedenen Käsesorten und Weintrauben zu füttern.
Und zum großen Finale – versteckt in einer Extrabox – seine Lieblingsspeise, der er über Monate standhaft entsagt hatte: Leberwurstbrote.
Und zwischendurch: Gürkchen für Jürgchen.