Warum Veganer den Geschmack von Schnitzel lieben (und Willi die Tereza)
Im Grunde genommen lieben Veganer Schweineschnitzel.
Die Erinnerung an den Geschmack lässt sie nicht los.
Wenn dem nicht so wäre, müsste die Industrie ihre Mischung weder „Schnitzel„ nennen, noch sie in eine Form pressen, die einem echten Schnitzel zum Verwechseln ähnlich sieht.
Sie tut das, um beim Anblick der Verpackung jene Erinnerung an unbeschwerten Fleischgenuss zu wecken, die Speichelfluss auslöst und schließlich zum Kauf führt.
Die Marketingabteilung bedient sich dabei der Prägung – jener dauerhaften und unauslöschlichen Bindung an ein Objekt wie Zucker, Zitrone oder Schnitzel. Ohne das Bild und ohne das Wort „Schnitzel“ auf der Verpackung würde sich das Produkt nicht annähernd so gut verkaufen lassen.
Prägung – das ist das Zauberwort.
Wie wir alle wissen, ist Prägung kein lebenslanger Lernprozess, sondern findet in einem kurzen Zeitfenster statt. Ist dieses Fenster geschlossen, zeigt sich eine überdauernde und lebenslang stabile Wirkung des prägenden Erlebnisses.
Jeder erinnert sich an den Geruch von Spekulatius oder den Geschmack von Leberwurst. Oder an seine erste große Liebe, so wie mein Freund Willi.
Er verliebte sich 1980 im Alter von vierzehn Jahren unsterblich in Tereza, eine slawische Schönheit mit den typisch markanten Wangenknochen, wunderschönen Augen, einer schlanken Figur und langen schwarzen Haaren.
Sie verbrachte den Urlaub mit ihren Eltern auf dem Campingplatz Maria Laach in der Eifel.
Drei Wochen lang übermannte Willi eine Gefühlswelt, die er bislang nicht kannte. Reine, ungefilterte Gefühle, deren Intensität ihm den Schlaf raubte und mit Herzschmerz, Sehnsucht und Eifersucht erfüllte.
Sie saßen stundenlang am Ufer des Sees und sprachen über Werte, berufliche Ziele und Familie – und darüber, wie sie ihre Kinder erziehen würden -, während er ihr schwarzes Haar wieder und wieder sanft durch seine gespreizten Finger gleiten ließ.
Alles bisherige trat in den Hintergrund und wurde als unwichtig oder nicht existent wahrgenommen. Es gab keine Sonne, keinen Mond, keinen Tag, keine Nacht.
Es gab nur Tereza.
Er wäre fast gestorben, als er tränenüberströmt auf dem Waldweg stand und dem holpernden Auto hinterher winkte, das plötzlich hinter einer Biegung verschwunden war.
In der Hand hielt er eine Strähne ihres schwarzen Haars.
Die nächsten Wochen waren für ihn die reinste Hölle. Seine Eltern verboten ihm den Umzug in die Tschechoslowakei, und zum Heiraten wäre er eh noch zu jung.
Seine Qualen endeten, als er sich unsterblich in Eva verliebte.
Das hielt aber nicht lange an. Eva war blond.
Schließlich heiratete er Monika. Monika war von slawischer Schönheit so weit entfernt wie die Wildecker Herzbuben von den Rolling Stones.
Aber …. sie hatte langes schwarzes Haar. Willi schwelgt immer noch in Gedanken an Tereza – wie Veganer in Erinnerungen an den Geschmack von Schweineschnitzel.
Hör mir auf.