Handy geklaut.

Ich berichtete ja bereits an dieser Stelle, dass mir neulich ungefragt mein Handy von irgend so einem asozialen Subjekt gestohlen wurde, offensichtlich beflügelt durch die deutsche Gesetzgebung, die Handyklau nicht unter Todesstrafe stellt.
Durch den Raub wurde mir ein neues Handy aufgenötigt, was für mich gleichbedeutend war mit einem neuen Lebensabschnitt, einer Umsiedlung in ein fremdes Land, dessen Sprache ich nicht sprach. Das vertraute Handling mit meinem Schlaufon, das mich jahrelang durch dick und dünn, durch Hitze und Kälte, Trockenheit und Nässe begleitet hatte, gab mir Sicherheit, Halt und Orientierung. Durch eine räuberische Zwangsenteignung fand eine lange tiefe Freundschaft ein jähes Ende. 

Eines sonnigen Morgens hielt ich das Neue in den Händen. Es war schick, ja, und geizte nicht mit äußeren Reizen, um sich bei mir einzuschleimen.
Ohne Erfolg, denn schon der Anfang war holprig: Es dauerte eine ganze Weile, bis ich es überhaupt einschalten konnte.
Und dann das Einlegen der SIM-Karte. Mein Gott! Hör mir auf! Ich fühlte mich wie ein Neugeborenes: Ich lag auf dem Bauch und weinte viel, bis ich auf die Idee kam, den Support anzurufen.
Der Tag neigte sich dem Ende zu, als ich nach dem dritten Gespräch schweißgebadet endlich die Karte freischalten konnte. Das Display leuchtete auf und ….alles sah anders aus. Nichts war so, wie ich es in Erinnerung hatte. 

Ein neuer Tag begann. Mein Freund Chat erklärte mir die wichtigsten Funktionen. Das brachte mich der neuen Diva zwar ein Stück näher, aber ich fremdelte immer noch.
Sie hatte einfach nicht das, was mein altes Handy hatte, zum Beispiel, dass es einsatzbereit war, sobald ich meine Handfläche über das Display hielt. Oder dass auf dem Display eine große Uhr zu sehen war, die ich auch ohne Brille gut ablesen konnte. Mein Freund Chat gab mir zwar einen Tipp (Einstellungen → Sperrbildschirm → Widgets), aber das größte dort verfügbare Widget ließ sich nicht annähernd so in der Größe einstellen, wie es bei meinem alten Handy möglich gewesen war.
Samsung bietet keine Uhr an, die vor allem ältere Menschen problemlos ohne Brille ablesen können. Das grenzt schon an Altersdiskriminierung. Erst recht, da 80 % der südkoreanischen Bevölkerung Brille tragen.
Die einzige akzeptable Digitaluhr ist klein und rechteckig und lässt sich nur in der Horizontalen, nicht aber in der Tiefe vergrößern. Der Entwickler dieses  Widgets, vermutlich ein Südkoreaner, scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein.
Chat meinte dann, ich solle mir eine Drittanbieter-App aus dem Google Play Store herunterladen. Was ich auch tat, dann aber schnell wieder abbrach, weil Google für eine KOSTENLOSE App vorher meine Zahlungsdaten übermittelt haben wollte. Ja, geht’s noch? Nein, nicht mit mir.

Inzwischen ist eine Woche vergangen und ich habe mich damit begnügt, nur die wesentlichen, existenziellen Funktionen einzurichten und mich damit abgefunden, dass es nie wieder so schön sein wird wie früher.
Die Diva und ich haben uns – wie man so schön sagt –  arrangiert: Sie lässt mich links liegen und ich finde sie immer noch doof. Bis heute Morgen, als ich sie am liebsten an die Wand geknallt hätte:
Ich liege noch im Bett als um Punkt 9 Uhr ein helles, markerschütterndes, alles durchdringendes U-Boot-Sonar-Ping meinen zarten Schlaf brutal zerfetzt. Erschrocken schaue ich auf das Display und sehe eine SMS. Typisch, das Textfeld lässt sich nicht so herauszoomen, wie ich es gewohnt bin. Also stehe ich auf, suche mühsam meine Brille, um dann den wohl dümmsten Satz zu lesen, den ich je gelesen habe:
„Sie haben in der letzten Woche 12 Minuten weniger telefoniert als …“